Drei Proben und es geht weiter – Erfahrungsbericht zur Online-Chorprobe

Soziale Kontakte und vertraute regelmäßige Rituale sind für uns alle wichtige Begleiter im täglichen Leben. Durch die aktuelle Pandemie-Situation spüren wir dies deutlicher denn je. Es werden viele Ersatz-Angebote und Behelfslösungen geschaffen, um neben den gegenwärtigen Einschränkungen zumindest auch ein bisschen Alltag zurückzugewinnen.

Auch wir vermissen unseren Alltag… und unsere Chorproben. Daher haben sich Sängerinnen und Sänger „meiner” drei Chöre auf das Experiment „Online-Chor” eingelassen. Nachdem wir zwischenzeitlich drei digitale Chorproben abhalten konnten, möchten wir Ihnen unseren Erfahrungsbericht nicht vorenthalten. Lesen Sie in diesem Beitrag, was uns dazu bewegt hat, online zu proben, welche Erfahrungen wir sammeln durften, wie wir diesen Versuch organisatorisch und technisch bewältigt haben und welche Einschränkungen uns begegnet sind.

Zu Beginn der Corona-Pandemie wurden wir alle ins eiskalte Wasser geworfen, mit so etwas hatte wenige Wochen zuvor – das Jahr 2020 hatte recht ruhig und „normal” begonnen – sicherlich niemand gerechnet. Mit der Zeit rückte die anfangs noch so entfernt scheinende Ausnahmesituation immer näher, die Einschränkungen hielten Einzug und jeder erreichte irgendwann den Moment, in dem er realisierte, dass die Lage doch ernster ist, als zunächst vermutet. Mit den alltagsbestimmenden Einschränkungen wurde uns in kurzer Zeit vieles entzogen, womit wir tagtäglich leben: Persönliche Kontakte im familiären Umfeld, im Freundeskreis, die wöchentlichen Trainingseinheiten in unserem Sportverein, die sonntäglichen Gottesdienste, der Besuch unseres Lieblingsrestaurants und vieles mehr.

choir, music, conductor

Viele Hobbys, die wir normalerweise ausüben, sind Team-Aktivitäten, so auch das Singen im Chor oder generell das Musizieren.

Zu Beginn der Pandemie waren viele damit beschäftigt, sich mit der neuen Situation zu arrangieren, der zwangsauferlegten Auszeit und dem Shutdown vieler Dinge konnte man durchaus auch etwas Positives abgewinnen. So werden in der aktuellen Lage auch eine allgemeine Entspannung und ein Besinnen auf das Wesentliche spürbar. Man hat die Gelegenheit, aus dem Hamsterrad herauszukommen. Plötzlich ist viel Zeit übrig für Dinge, die man sonst immer wieder verschoben hat. Manch einer sagte auch, ein jährlich zwangsverordneter Shutdown von wenigen Wochen wäre in der heutigen schnelllebigen und immer nach Höherem und Besserem strebenden Zeit auch nicht verkehrt. So ganz unrecht hat er nicht, denn man kann die Ruhe auch genießen.

Wozu das Ganze?

Aufgrund der Kontaktbeschränkungen wurde vieles auf andere Kanäle verlagert, es wird mehr telefoniert und es werden vermehrt digitale Wege beschritten. In vielen Gesprächen, Mails und Nachrichten wurde immer wieder geäußert, wie sehr die wöchentlichen Proben doch fehlen. Gleichzeitig war im Internet von virtuellen Chören, Orchestern und anderen Gemeinschaften zu sehen, was mich dazu brachte, mich näher mit der Thematik zu befassen. Schnell wurde mir klar, dass auch chorisch im Internet einiges möglich und machbar ist. Da kleinere Sitzungen und private „Treffen” in Skype und Co. kein Problem sind, musste es auch eine Lösung für die Chöre geben. Diese war auch schnell gefunden und mit meinem Ostergruß an die Sängerinnen und Sänger wurde der Grundstein für das Projekt „Online-Chor” gelegt. In kürzester Zeit folgten familieninterne Tests, die ein oder andere Internet-Recherche in diversen Tutorials und schließlich wurde in einer Nacht-und-Nebel-Aktion die technische Basis für unsere folgenden Proben geschaffen.

Die Ankündigung unseres Experimentes erfolgte über die gängigen chorischen Kommunikationswege (E-Mail-Verteiler, WhatsApp, Telefonketten usw.), verbunden mit einer Ostergruß-Videobotschaft an die Sängerinnen und Sänger. Bereits drei Tage später fand die Online-Einweisung statt, am darauffolgenden Abend starteten wir mit der ersten Online-Chorprobe. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich fast 20 Sängerinnen und Sänger über das Online-Anmeldeformular angemeldet. Diese fanden sich zur Online-Einweisung ein, um unseren „digitalen Proberaum” kennenzulernen.

Einweisung

In der Online-Einweisung befassten wir uns mit den Möglichkeiten und Funktionen, die von der Videokonferenz-Plattform „Zoom” bereitgestellt werden. Jede(r) hatte die Möglichkeit, die Funktionen auf verschiedenen Endgeräten (Rechner, Notebook, Smartphone, Tablet usw.) zu testen. Bereits im Vorfeld wurden im Chor-Intranet diverse Anleitungen und kurze Video-Tutorials bereitgestellt, die den Sängerinnen und Sängern praxisnah und anschaulich verdeutlichen, wie der Download, die Installation und die Teilnahme an einer Zoom-Sitzung einfach und unkompliziert erfolgen kann.
Ziel dieser Einweisungs-Session war, dass für die erste Probe alle technisch vorbereitet sind und die Probe möglichst ohne technische Einzelprobleme beginnen kann.

Organisation ist alles

Wir waren somit gerüstet für die erste Probe. Im Chor-Intranet wurden vorab die Probetermine sowie die Zoom-Links zum „Betreten” der virtuellen Proberäume, aber auch das Notenmaterial bzw. Verweise auf die entsprechenden Chorbücher, Hörbeispiele und Videotutorials zu speziellen Zoom-Funktionen bereitgestellt.

Ablauf der Proben / Hilfreiche „Zoom”-Funktionen

Der Ablauf unserer Online-Chorproben gestaltet sich wie folgt:

  • Für Neulinge und Teilnehmer, die technische Probleme haben und Unterstützung benötigen, besteht die Möglichkeit, schon 20 Minuten vor Beginn der Probe in den virtuellen Proberaum zu kommen. Die Teilnehmer betreten hierbei zunächst den Zoom-„Warteraum” und werden dann selektiv in den Proberaum hereingelassen. Die 20 Minuten reichen aus, um technische Fragen zu klären, kleinere Probleme zu beseitigen und Funktionstests oder kurze Einweisungen (für ganz neue Teilnehmer) durchzuführen.
  • Ca. 5 Minuten vor Beginn der Probe füllt sich der Warteraum kontinuierlich mit weiteren Teilnehmern, die dann gesammelt hereingelassen und begrüßt werden. Hierbei sind alle Videokameras eingeschaltet und auch die Mikrofone aktiv, d.h. alle können sich gegenseitig sehen und hören.
  • Zu Beginn der Probe werden alle Teilnehmer stumm geschaltet, um ein allzu großes Durcheinander zu verhindern. Nach einer Warm-Up-Einheit (Einsingen) werden die Stücke vorgestellt und im Anschluss die jeweiligen Stimmen in einzelnen Proberäumen (pro Stimme bzw. nach Geschlechtern getrennt) geübt. Hierzu verwenden wir das Feature „Breakout Sessions”, welches ermöglicht, die einzelnen Teilnehmer in einzelne Räume zu schicken. In der Regel gibt es einen „Raum” für die Frauenstimmen und einen „Raum” für die Männerstimmen. Bei großer Teilnehmerzahl empfiehlt sich ggf. eine weitere Aufteilung in die Einzelstimmen Sopran, Alt, Tenor und Bass (4 Räume für 4 Stimmen). Die Einzelräume bieten die Möglichkeit, konzentriert mit den einzelnen Stimmen zu proben, während die pausierenden Stimmen sich in ihrem Raum untereinander unterhalten können, bis der Chorleiter in den anderen Raum wechselt.
    Am Ende der Stimmproben treffen sich alle im „großen Proberaum” wieder, um „gemeinsam” das zuvor Geübte zusammenzufassen.

Einschränkungen: Interaktion und „gemeinsames Singen”

Während der gesamten Probe bleiben die Mikrofone der Sängerinnen und Sänger grundsätzlich stummgeschaltet. Bei Fragen oder Wiederholungsbedarf können die Teilnehmer virtuell die „Hand heben”. Hierzu gibt es die gleichnamige Funktion in Zoom, die dem Chorleiter signalisiert, dass der Teilnehmer etwas sagen möchte. Nach dem Aufrufen des Teilnehmers kann dieser sein Mikrofon aktivieren (Leertaste gedrückt halten) und seine Anliegen äußern, die von allen gehört werden können.

Hier obliegt es dem Chorleiter, ob er es administrativ zulässt, dass jeder Teilnehmer sein Mikrofon beliebig ein- und ausschalten kann oder ob dies nur nach jeweiliger Freigabe möglich ist. Letztendlich hängt dies von der chorischen Disziplin ab. Die Erfahrung zeigt, dass es bei mehreren aktiven Mikrofonen schnell zu einem Durcheinander kommt. Hier ist der Chorleiter in der Pflicht, ständig für ein angenehmes und überschaubares „Audio-Klima” zu sorgen.

In den Breakout-Sessions (Einzel-Proberäume) sind die Mikrofone natürlich grundsätzlich freigeschaltet, sodass die Sängerinnen und Sänger sich munter unterhalten und austauschen können.

Eine der größten Einschränkungen im Zusammenhang mit den Mikrofonen der Sängerinnen und Sänger ist sicherlich, dass es beim Singen nicht sinnvoll möglich ist, alle Mikrofone aktiv zu schalten, gemeinsam zu singen und dabei den Chorklang zu erleben. Durch die technisch bedingten Verzögerungen, die bei allen unterschiedlich sind und unterschiedlich wahrgenommen werden, ist es nicht möglich, den Chorklang wahrzunehmen.

Konkret bedeutet dies, dass der Chorleiter die zu probenden Passagen „one-way” vorsingt und/oder vorspielt und/oder einspielt, dabei auch in die Kamera dirigieren kann, den Gesang der Sängerinnen und Sänger aber nicht hören kann. Ebenso können die Sängerinnen und Sänger nur den Chorleiter hören, aber nicht die Stimmkolleginnen und -kollegen, die in den realen Proben direkt nebenan sitzen.

Proben mit Klavier und Aufnahmen

Grundsätzlich ist es möglich, dass der Chorleiter die Einzelstimmen auf dem Klavier vorspielt und/oder vorsingt. Darüber hinaus ist es mit Zoom möglich, Youtube-Videos (Hörbeispiele) oder auch zuvor aufgenommene Passagen (Audio-Dateien) abzuspielen und gemeinsam anzuhören. Auch die Noten können über Bildschirmfreigaben für alle sichtbar gemacht werden.

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Fazit

Die Online-Chorprobe ist sicherlich eine sinnvolle und praktikable Ersatz-Probe in den Zeiten der Corona-Pandemie. Es muss aber bewusst sein, dass die realen Proben dadurch nicht ersetzt werden können, sondern nur eine optionale Ergänzung darstellen.

Durch die beschriebenen technischen Einschränkungen ist es nicht möglich, an der Chor-Intonation, Dynamik oder komplizierten Rhythmen zu arbeiten. Die Proben ermöglichen es aber, die Einzelstimmen in einer virtuellen Gemeinschaft einzuüben und anhand der Hörbeispiele bzw. der live eingespielten Passagen das inidividuelle Einüben der Sängerinnen und Sänger sinnvoll zu unterstützen. Darüber hinaus entsteht trotz aller Einschränkungen eine ähnliche Atmosphäre wie in der Chorprobe und die Teilnehmer haben die Möglichkeit, sich immerhin virtuell zu treffen und sich zu unterhalten und auszutauschen.

In diesem Sinne kann ich nur empfehlen, dies einfach einmal auszuprobieren. Zoom gibt es für bis zu 100 Teilnehmer als kostenlose Variante. Die Dauer der „Meetings” bzw. Proben ist in der kostenlosen Variante allerdings auf 40 Minuten begrenzt, weshalb wir die kostenpflichtige Version einsetzen.

Viel Erfolg!

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